Wie hat sich das schwierige Jahr 2020 auf den Finanzsektor und besonders auf verantwortliches Investieren ausgewirkt?

Yvonne Suter: «Schon lange vor 2020 stand die Welt vor existenziellen Herausforderungen. Diese reichten von Bevölkerungswachstum und Vermögensungleichheit bis hin zum Klimawandel und zur Zerstörung von Ökosystemen. Aber es gab auch grosse Fortschritte im Hinblick auf Innovationen für eine kohlenstofffreie Zukunft und nachhaltige Entwicklung. Die Pandemie führte uns fast schlagartig vor Augen, wie fragil wir und die Systeme sind, von denen wir abhängig sind, und wie abhängig wir voneinander sind. Im Finanzbereich standen nachhaltige Kapitalanlagen fest im Mittelpunkt – ein Konzept, das sich bereits seit zehn Jahren im Aufwind befindet. Aus wirtschaftlicher Sicht galten Investitionen in Kohlenstoffarmut bereits als sinnvoll, 2020 standen nun soziale Fragen wie der ungleiche Zugang zu Gesundheitsversorgung im Fokus der täglichen Nachrichtenmeldungen. Vermögensungleichheit kann das Vertrauen in Institutionen untergraben und ganze gesellschaftliche und politische Systeme destabilisieren. Und sie kann zu einem Rückgang der Konsumausgaben führen und dadurch Deflation und Anlageblasen erzeugen. Summa summarum rückten 2020 die Probleme, auf die durch nachhaltige Kapitalanlagen eingegangen wurde, noch näher an uns heran, und dadurch wuchs das Interesse an integren Investitionen weiter.»

Was waren die wichtigsten Meilensteine der Nachhaltigkeitsbemühungen von Julius Bär in den letzten zwölf Monaten?

«Wie in der Branche insgesamt, so war auch bei uns das Interesse an unserem Angebot an nachhaltigen Anlagen und Impact-Investitionen so stark wie nie zuvor. Wir hielten es daher für den geeigneten Zeitpunkt, ein neues Impact-Investing-Ökosystem zu lancieren. Dabei haben wir unsere Rolle als Vordenker genutzt und mit massgeschneiderten Lösungen ein «Menü» geschaffen, aus dem die Kunden diejenigen Produkte auswählen können, die ihren persönlichen Werten oder den Werten ihrer Familie gerecht werden. Ein weiterer Meilenstein war die Zertifizierung von 27 unserer Anlageexperten im Bereich ESG durch das UK Chartered Financial Analyst Institute 2020. Ich freue mich sehr, wenn in den nächsten Jahren immer mehr Kollegen über dieses Programm ihr Fachwissen ausbauen. Und schliesslich bin ich stolz darauf, dass mein Team und meine Kolleginnen und Kollegen in der Bank die Mühe auf sich genommen und dafür gesorgt haben, dass sich Julius Bär mit unserer aktualisierten Nachhaltigkeitsstrategie im Hinblick auf die Angleichung an globale Best Practices und unser Ziel «Mehrwert schaffen, der über das Finanzielle hinausgeht» noch höhere Vorgaben stellt.

Welche Rolle können Julius Bär und Ihre Branche allgemein in einer nachhaltigeren Zukunft spielen?

«Als führender Vermögensverwalter haben wir die wichtige Aufgabe, Kapital so umzuleiten, dass für die nächsten Generationen eine gerechtere Zukunft und ein gesünderer Planet geschaffen werden. Letzten Endes orientieren wir uns dabei an unseren Kunden. Im vergangenen Jahr liessen sowohl Kundenumfragen als auch informelles Feedback ein wachsendes Interesse an ESG-konformen Portfolios sowie den Wunsch erkennen, gesellschaftlichen und ökologischen Wert zu schaffen. Wir hören unseren Kunden zu, optimieren in dem Bewusstsein, dass dies unsere Chance ist, die Voraussetzungen für verantwortliche Entscheidungsprozesse zu schaffen, weiter die Integration von ESG und ermöglichen es den Kunden, mit ihrem Geld Themen zu finanzieren, die ihnen am Herzen liegen. Wir haben bei Julius Bär unter Zuhilfenahme unserer hervorragenden Beziehungen zu Nachhaltigkeitsexperten ein solides Fundament aufgebaut, von dem aus wir im Hinblick auf die grosse Vielzahl von Risiken und Chancen im Zusammenhang mit der Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaft steuernd mitwirken können. Damit sich unsere Kunden besser in dieser sich entwickelnden Landschaft zurechtfinden, haben wir zwei strategische «übergeordnete Themen» oder Kriterien für eine nachhaltige Wirtschaft aufgestellt: Die übermässige Nutzung natürlicher Ressourcen und die unzureichende Nutzung menschlicher Ressourcen.»

Was liegt zwischen dem Status quo und einem wirklich nachhaltigen Finanzsystem?

«In zwei Worten: Handeln und Kooperation. Julius Bär hat es sich zum Ziel gesetzt, Experten und Fachfremde zusammenzubringen, damit sie gemeinsam das Thema Nachhaltigkeit voranbringen können. So stellen wir beispielsweise in unserem Insights-Artikel «Profit with purpose» die Frage, wie sich das Finanzsystem so verändern lässt, dass das Verständnis von Wert neu definiert wird und in diesem Zusammenhang Anreize geschaffen und mit einem Preis versehen werden können. Um solche Gedanken jedoch in die Praxis umzusetzen, bedarf es multilateraler Partnerschaften. Um beispielsweise Kapitalflüsse von der Subvention fossiler Brennstoffe hin zu Investitionen für eine kohlenstofffreie Zukunft umzudirigieren, die sich positiv auswirken und finanziell lohnen, müssen wir mit vielen Partnern auf staatlicher und nicht-staatlicher Ebene zusammenarbeiten.

Wie geht es für Julius Bär in Sachen Nachhaltigkeit weiter?

«In unserem Sustainability Report 2019 zählte ich drei vorrangige Ziele auf: Verbesserung unserer Kundenberichterstattung, Ausbau unseres Angebots an Impact-Investitionen und mehr ESG-Management-Schulungen für Mitarbeitende. In diesem Bericht können Sie nachlesen, inwieweit wir in vielen Bereichen unsere Erwartungen erfüllt haben. 2020 haben wir unseren ganzheitlichen Nachhaltigkeitsrahmen entwickelt und unseren Fokus geschärft. 2021 nun erfüllen wir diesen Rahmen mit Leben und verankern das Prinzip Nachhaltigkeit in der gesamten Gruppe. Wir möchten alle Geschäftsbereiche auffordern, unsere Strategie zu übernehmen und ihr Potenzial umfassend freizusetzen. Ich freue mich auf diesen nächsten Schritt in unseren Bemühungen, es unseren Kunden zu ermöglichen, einen positiven Beitrag zu einer besseren Zukunft zu leisten.»

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