Marktpreise spiegeln erneute Sorglosigkeit wider
Das Marktgeschehen im April war nichts weniger als spektakulär. Nach einem steilen Absturz gibt der S&P 500 Index der Trump-Regierung vorerst einen Vertrauensvorschuss. Tatsächlich haben sowohl der führende US-Aktienindex als auch die globalen Aktien den gesamten Abschlag des sogenannten «Liberation Day» wieder wettgemacht, während letztere in US-Dollar gerechnet im bisherigen Jahresverlauf sogar im Plus liegen. Allerdings sind nicht alle Bereiche des Marktes so enthusiastisch wieder nach oben geklettert. Der Ölpreis und der US-Dollar-Index haben weiterhin zu kämpfen. Die risikoreichsten Segmente der Kreditmärkte haben sich ebenfalls langsamer erholt. Die Spreads von börsenkotierten Business Development Companies (BDCs), unserem bevorzugten Indikator für die Entwicklung privater Kredite, sind seit ihrer Ausweitung nach dem 2. April noch nicht spürbar zurückgegangen. Diese Divergenz zwischen höher- und minderwertigen Vermögenswerten ist unseres Erachtens ein Hinweis darauf, dass sich unter der Oberfläche mehr abspielt als nur die Zölle. Schliesslich hatte der Markt seinen Höchststand erreicht und die Kreditspreads hatten sich bereits im Februar ausgeweitet.
Zugegebenermassen verhalfen Kleinanlegerinnen und -anleger, die den zollbedingten Einbruch enthusiastisch für Käufe nutzten, den US-Aktien zu einem Aufschwung. Der grösste börsengehandelte S&P 500-Fonds verzeichnete im April einen Rekordzufluss von fast 21 Mrd. US-Dollar und damit den grössten in seiner 15-jährigen Geschichte. Die Kurserholung spiegelt die Hoffnung wider, dass ein gewisser Pragmatismus in das Weisse Haus zurückkehrt. Mit anderen Worten: Es wird erwartet, dass Präsident Trump die angekündigten Zölle lediglich als Druckmittel in den Handelsverhandlungen einsetzt, aber weiterhin «schöne» Handelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern ankündigen wird.
Abgesehen von dem potenziellen Gegenwind durch einen drohenden Wirtschaftsabschwung, der durch eine mutwillige Zerstörung der globalen Lieferketten verursacht wird, haben die USA keine praktikablen Alternativen gesichert. China steht mittlerweile nicht mehr allein für niedrige Arbeitskosten. Multinationale Unternehmen, auch solche mit Hauptsitz in den USA, haben in den letzten Jahrzehnten hochkomplexe Lieferketten aufgebaut, um ihre Geschäftstätigkeit in China aufrechtzuerhalten. Experten sind sich einig, dass eine vollständige Verlagerung derartig tief verwurzelter Ökosysteme in die USA nicht nur unpraktisch, sondern in den meisten Fällen schlichtweg undurchführbar ist, da es in den USA keine ausreichend qualifizierten Arbeitskräfte gibt.
Ist dies das Ende der Globalisierung, wie wir sie kennen?
Seit der Abschaffung des Systems fester Wechselkurse, das den Beginn der Bretton-Woods-II-Ära im Jahr 1971 kennzeichnete, hat der US-Dollar aufeinanderfolgende langfristige Hausse- und Baissezyklen erlebt. Seit der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 befindet sich der US-Dollar in einem langfristigen Aufwärtstrend. Im gleichen Zeitraum haben sich US-Aktien sehr viel besser entwickelt als ihre Pendants im Rest der Welt, was vor allem auf einige US-Mega-Cap-Titel zurückzuführen ist, die zu den grossen Gewinnern der Globalisierung gehörten. Abgesehen von der herausragenden Performance-Bilanz bieten US-Aktien auch das breiteste Engagement in exponentiell wachsenden Geschäftsmodellen, die auf anderen Märkten nur selektiv – oder gar nicht – zu finden sind. In der Folge hat die Dominanz der USA in den globalen Benchmarks ein noch nie dagewesenes Niveau erreicht. Anders ausgedrückt: Ausländische Anlegerinnen und Anleger haben in den letzten 15 Jahren in ihren Portfolios ein Rekordengagement in US-Anlagen aufgebaut. Heute erschüttern die politischen Massnahmen der Trump-Regierung das Bretton-Woods-II-System in seinen Grundfesten. Damit besteht die Gefahr, dass wir von einem langfristigen Haussezyklus zu einem langfristigen Baissezyklus des US-Dollars übergehen, was gleichzeitig das Ende der langfristigen Outperformance von US-Anlagen bedeutet.
Der Handlungsspielraum der US-Politik ist begrenzt
Die am 2. April angekündigten Zölle stellen einen externen Schock dar, der in den Vereinigten Staaten inflationäre und in Europa und Asien deflationäre Auswirkungen hat. Die USA befinden sich in einer schwierigen Situation, was den Umgang mit den Auswirkungen dieses Schocks betrifft – und zwar sowohl geldpolitisch (mehr Entgegenkommen würde bedeuten, den durch den zollbedingten negativen Schock auf das inländische Angebot ausgelösten Inflationsdruck zu verstärken) als auch fiskalpolitisch (die USA weisen ein Rekordhaushaltsdefizit auf und haben sich gleichzeitig eine fiskalische «Entgiftungskur» verordnet). Europa, China und andere asiatische Länder hingegen verfügen über die Mittel, um ihre Volkswirtschaften zu stützen. Angesichts des politischen Charakters der vorherrschenden Faktoren und einer US-Regierung, die mehrfache, manchmal radikale und völlig unvorhersehbare Kehrtwendungen vollzieht, haben wir zugegebenermassen keine kurzfristige Perspektive.
Müssen wir einen Kapitalkrieg fürchten?
Da die USA hier generell mit schlechten Karten spielen, lauten die Millionen-Dollar-Fragen, ob sich der derzeitige Handelskrieg zu einem Kapitalkrieg entwickeln wird und ob die US-Regierung anfangen wird, auf finanzielle Repression zu setzen, um die Finanzen des Landes zu verbessern. Hinter den Handlungen der USA steht der Gedanke, dass der Rest der Welt seinen gerechten Anteil für die Bereitstellung des militärischen Schutzschirms der USA sowie für die Zusammenarbeit bei der Eindämmung des Aufstiegs Chinas zahlen soll. Mit anderen Worten: Die Zölle sind nur ein Teil eines umfassenderen Instrumentariums, mit dem die US-Regierung versucht, dem Doppeldefizit der USA entgegenzuwirken und die Hegemonie der USA zu sichern. Sollten sich die Zölle als unwirksam erweisen, ist nicht auszuschliessen, dass die US-Regierung zu alternativen Massnahmen greifen wird. Sie könnte beschliessen, ein Nutzungsentgelt auf ausländische Bestände von US-Staatsanleihen zu erheben oder eine obligatorische Umwandlung bestehender Bestände in Instrumente mit längeren Laufzeiten, möglicherweise bis zu 200 Jahren, bis zur Rückzahlung durchzusetzen. Ein solches Vorgehen würde ein ernsthaftes Risiko für die globalen Kapitalmärkte darstellen. Niemand ist heute mit seiner Vermögensallokation strategisch so aufgestellt, dass er in ein so radikal anderes Anlageumfeld eintreten kann. Anlegerinnen und Anleger ausserhalb der USA sollten darüber nachdenken, wie viel Kapital sie strategisch in einen Markt investieren wollen, in dem das Risiko einer Beschlagnahmung gestiegen ist.
Globale Portfolios sind immer noch stark auf US-Anlagen ausgerichtet
Aus Sicht der globalen Vermögensallokation kann nicht deutlich genug betont werden, dass der Ausgangspunkt wichtig ist. Die Dominanz der USA in den globalen Benchmarks hat ein Rekordniveau erreicht. Die USA machen mehr als 70% des MSCI World Index aus und übertreffen damit den bisherigen Höchststand aus der Nifty-Fifty-Ära der 1970er Jahre. Das Phänomen erstreckt sich auf die weltweiten Staatsanleihen (wo der Anteil der USA fast 50% beträgt) und auf die privaten Märkte (wo der Anteil der USA über 50% liegt). Gleichzeitig besitzen ausländische Anlegerinnen und Anleger 19 Billionen US-Dollar in US-Aktien, 7 Billionen US-Dollar in US-Staatsanleihen und 5 Billionen US-Dollar in US-Krediten. Dies entspricht 20% der gesamten US-Aktienmarktkapitalisierung, 30% des gesamten US-Staatsanleihenmarktes und 30% aller ausstehenden US-Kredite.
Eine gross angelegte Umleitung von Nicht-US-Kapital hat erhebliche Auswirkungen auf Investitionen. Ein blosser Stopp der Zuflüsse von Ersparnissen aus dem Ausland in die US-Kapitalmärkte würde den US-Dollar stark unter Druck setzen und die Kapitalkosten in den USA erhöhen, was uns einem Kapitalkrieg näher bringen würde, da die Renditen von US-Staatsanleihen automatisch steigen würden. Sollten diese Ströme nicht nur zum Stillstand kommen, sondern sich auch umkehren und das Kapital strukturell fliehen, anstatt in den USA Schutz zu suchen – wie es in den 2000er Jahren der Fall war, als wir die letzte langfristige Baisse des US-Dollars erlebten (August 2001 bis März 2008, mit einem zweiten Tiefpunkt im April 2011) –, wären die Auswirkungen auf US-Anlagen angesichts der extremen Ausgangssituation von heute wesentlich grösser. Donald Trump ist mit einer neuen politischen Agenda an die Macht zurückgekehrt und beschleunigt den Wandel hin zu einer Ära des Protektionismus, die nach acht Jahrzehnten der Globalisierung immer wahrscheinlicher wird.
Fazit – Vermögensallokation überdenken
Kurzfristig setzt sich der «Pain Trade» für US-Aktien fort, weshalb wir vorerst von einer weiteren Reduzierung unserer Aktienquote absehen. Um einen Strategen einer der grössten Vermögensverwaltungsgesellschaften der Welt zu zitieren, mit dem wir uns kürzlich über die Marktlage austauschten: «Wir haben keine Lust, uns vor die Massenströme der US-Kleinanleger zu stellen.» Dennoch sind wir nach wie vor der Ansicht, dass wir uns in der Anfangsphase einer Baisse für US-Aktien befinden. Anlegerinnen und Anleger sollten daher zwischenzeitliche Erholungsphasen wie die derzeitige nutzen, um ihre Portfolios weiter von den US-Kapitalmärkten weg zu diversifizieren. Auch wenn die Ungewissheit überwiegt, da die Volatilität vom Weissen Haus auf die Finanzmärkte überschwappt, ist eines klar: Das Rezept für erfolgreiche Investitionen wird in Zukunft nicht mehr dasselbe sein wie in den letzten 15 Jahren.